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von Benny » Mo Dez 17, 2007 3:14 pm
Stative sind eine Geheimwissenschaft - aber selbst Eingeweihte schreiben und reden da viel Unsinn... Der Preis alleine sagt nur ausgesprochen grob etwas über die Qualität, aber ich denke, ein paar Grundsätze gelten schon:
- das Stativ sollte nicht nur die Bein fest klemmen, die Klemmung muss auch bedienbar sein. Beispiel: Bei meinem teuren alten Slik MasterPro werden die Beine per Drehung geklemmt (wie bei Gitzo, Velbon etc.). leider ist die Drehmanschette aus geriffeltem Alu. Im Winter saukalt und ansonsten reisst man sich die Handflächen wund.
- das Stativ sollte so hoch sein, dasss man beim normalen Fotografieren die Mittelsäule nicht ausfahren muss. Die Mittelsäule ist bei allen Stativen logischerweise der Schwachpunkt, der schwingungsempfindlich ist.
- ein Blick auf die Stativschulter (wo die Beine an angeschraubt sind) ist wichtig. Dünne Schrauben, dünne Materialien führen hier bei sehr vielen (auch teureren) Modellen zu leicht auffindbarer Verwindung.
- Stativbeine müssen eine gewisse Dicke haben und die Profile sollten geschlossen sein (Rund- oder Ovalrohr) - das erhöht erheblich die Verwindungssteifgkeit im Vergleich zu gleichschweren offenen (U) Profilen.
– Schwingungsfestigkeit (Spiegelschlag, Wind) ist schlecht zu testen, außer durch Probefotos, ist aber ein erhebliches (!) Problem. Billige Alulegierungen schwingen mehr als hochwertige. Kohlefaser dämpft Schwingungen besser als Alu - aber am Besten sind Holzstative in dieser Hinsicht. Die Konstruktion hat natürlich ebenfalls Einfluss auf die Schwingungsfestigkeit. Verspannen hilft gegen Schwingungen, wozu man bei guten Videostativen die zusätzlichen Verstrebungen festschrauben kann.
- Das Stativ muss zur Kamera-Objektivkombination passen. Mindestanforderung ist natürlich, dass die Tragfähigkeit höher ist, als das Gesamtgewicht der Kamera mit dem schwersten Objektiv. Da die Hersteller "großzügig" mit Tragfähigkeistangaben umgehen, sollte man 50 % mehr Tragfähigkeit kaufen, als man aktuell benötigt.
- Entscheidendes Element ist der Stativkopf. Zur Tragfähigkeit gilt das gleiche wie beim Stativ selbst. Natürlich sollte der Kopf mindestens so belastbar sein, wie das Stativ.
- Bei Köpfen gibt es häufig Problem mit langsamen Rutschen, selbst bei angezogenen Klemmen. Bei preiswerten China-Köpfen ist schon das Material so minderwertig (habe ich gerade bei einem "dicken", mit 12 kg Tragkraft angegebenen Kugelkopf gesehen, den ich aus Neugierde zerlegt habe), dass die Klemmschrauben den Kopf über kurz oder lang so beschädigen werden, dass er unbrauchbar wird auch wenn er anfangs gut läuft.
- Bei der Tragfähigkeit wird meistens die Hebelkraft vergessen, die ein längeres Objektiv auf den Kopf ausübt. Ein 80-400 mm Zoom kann schon ziemlich weit nach vorne überstehen, vor allem wenn es keine eigene Stativschelle hat. Dann wackelt es, auch wenn der Kopf das gewicht eigentlich Tragen können sollte. Die Cullmann Magnesit Köpfe sind meines Wissens nach die einzigen Köpfe, bei denen der Hebel in Form des Drehmoments offiziell verbreitet wird. Nur wer misst schon das Drehmoment seiner Kamera-Objektivkombination?
- im unteren Preissegment sind 3D-Köpfe meistens besser als Kugelköpfe. Sie einfacher und preiswerter herzustellen als Kugelköpfe.
- Die billigsten, wirklich guten Kugelköpfe, die ich bislang gefunden habe, sind die Novoflex Ball 30 und 40 Modelle. Einen Ball 30 (60 Euro) habe ich auf meinem Leichtgewichts-Stativ (Velbon Sherpa Pro 540), weil er nur knapp über 200 g wiegt und 5 kg trägt, was gut mit dem kleinen Stativ harmoniert. Die Köpfe können nur so billig und gut sein, weil auf jeglichen komfort (Panorama-Klemmung, Friktion) verzichtet wurde.
- wer beim Stativ spart, kompromitiert die Bildqualität - das fällt meistens nicht auf, weil man immer eine andere Ausrede dafür findet, warum die Bilder nicht wirklich scharf sind. Ich spreche aus Erfahrung, denn ich bin ebenfalls viel zu faul, ständig das Stativ rumzuschleppen und aufzubauen. Aber bei Teleaufnahmen und im Makrobereich sind meine Bilder ohne Stativ mit Regelmäßigkeit sichtbar unschärfer, als bei Stativbenutzung.
- im Zweifel lieber ein hochwertiges Stativ gebraucht kaufen, als ein billiges neu!
Gruß,
Benny
…schreibt Klartext
Fotografie seit ca. 30 Jahren: Kleinbild/digital mit Pentax, MF mit Mamiya, Großformat; SW/Color-Labor, Digitale Dunkelkammer